Foto: Jörg Siegert

Ausflug in die Streuobstwiese

Warten, Beobachten, dabei Obst essen.

Frau Dipl.-Ing. agr. Magdalena Hein beschreibt es mir: die Kulturlandschaft Streuobstwiese ähnelt genau der Landschaft, in der die Menschheit vor Millionen Jahren sesshaft werden konnte, nämlich der Baumsavanne, als der Wiege der Menschheit. Die lockere Gruppierung, das Hingeworfensein der Obstbäume gibt uns einerseits Schutz, andererseits ermöglicht es den Ausblick aus der Deckung.

Dieses Sehen und Gesehen werden.

Die Römer brachten uns den Hochstamm-Obstbau. Sie kamen aus einem Land mit mediterranem Bewuchs, offen, leicht, trocken. Mit knisternden Pinienzapfen und Nadeln, mit spröden Johannisbrotbäumen. Sie querten die Alpen und brachten den Apfelbaum mit. Sieben Sorten Äpfel waren Ihnen bekannt.

Sie fanden Germanien und sie merkten, dass sie ihren Begriff von Wald erweitern mußten. Der Germanische Wald war feuchter Auwald, dicht, sattgrün, dunkel, voller wildem Getier. In Italien pflanzt man Baumgruppen. In Germanien muss erst eine Lichtung gerodet werden! Und dann verteidigt. Gegen den Ansturm des Waldes, sich das Entrissene wieder zu holen. Der Obstgarten wird daher oftmals im Schutz der Klöster kultiviert. Umgeben von Steinmauern, gelingt die Pflege, allein 4000 Apfelsorten entstehen im Verlauf der 2000 Jahre. Bis zur Einführung von EU-Marktstandards.

Die EG bezahlt bis 1974 Prämien für jeden gerodeten Hochstamm, um die Plantagenbildung von Niederstamm und Spindelbüschen zu fördern. 5 Millionen Bäume werden gefällt. 50 Pfennig wurden gezahlt für jeden gerodeten Baum. Die Produktion wurde so rationeller. Das im Plantagenbau angebaute Obst erfüllt im Gegensatz zum Streuobst die EU-Marktstandards.

Die Streuobstwiese braucht viel Handarbeit. Baumklettern, Leiterpflücken, Schüttelgerät; Auflesemaschinen lohnen hier nicht.

 Auch in der Deutschen Demokratischen Republik wurde die Produktivitätssteigerung der Obsternten verfolgt. Aus einem Lehrbuch über das "Blühen und Fruchten beim Obst" lernen wir, daß die optimalen und gleichen (!) Bedingungen gleichsam interessante räumliche bzw. formale Konstellationen hervorbringen. Diese Schemata könnten auch Strickmuster, Fassaden, Geschenkpapiere, Bestuhlungen sein. Dass die "Gleichheit" der Bedingungen für alle (Obstsorten) hier derart betont wird, ist sicherlich kein Zufall.

Obstanbau ist Kultur, Politik, Biologie und Gestaltung in einem.

 

 http://www.obstwanderwege.de

Bayerische Landesanstalt für Landschaftspflege: Kulturlandschaft und Biodiversität: http://www.lfl.bayern.de/streuobst

 

Blasse, Prof. Dr. Wolfgang: Blühen und Fruchten beim Obst. VEB Deutscher Landwirtschaftsverlag. Berlin 1976 

Zeichnungen : E. Halwaß, Nossen (nach Vorlagen des Verfassers)

 

(ms)